Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))
Der § 275 Abs. 1 BGB regelt den Grundfall der Unmöglichkeit – die sog. tatsächliche Unmöglichkeit. Diese liegt vor, wenn der Leistungserfolg durch den Schuldner tatsächlich nicht erbringbar ist. Dabei kann diese entweder als physische Unmöglichkeit, d.h. die Leistung ist nach den Naturgesetzen nicht mehr möglich, oder als rechtliche Unmöglichkeit, d.h. die Leistung ist aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich, vorliegen. Unerheblich dabei ist, ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht (das wird erst im Rahmen eines evtl. Schadensersatzes entscheidend).
1. objektive und subjektive Unmöglichkeit
Der § 275 Abs. 1 BGB erfasst darüber hinaus sowohl eine objektive als auch eine subjektive Unmöglichkeit. Im Fall einer objektiven Unmöglichkeit ist der geschuldete Leistungserfolg für jedermann unmöglich. Im letzteren Fall ist es allein dem Schuldner unmöglich die geschuldete Leistung zu erbringen, während irgendjemand diese noch erbringen könnte.
Beispiel: V verkauft K ein gebrauchtes Auto. Doch bevor K das Auto abholen kann wird dieses gestohlen. V kann das Fahrzeug nicht mehr wie geschuldet übergeben, während die Herausgabe des Autos von dem Dieb an K noch möglich wäre.
Merke: Bei höchstpersönlichen Leistungspflichten, ist jede subjektive Unmöglichkeit zugleich eine objektive Unmöglichkeit.
2. Nachträgliche Unmöglichkeit
Der § 275 Abs. 1 BGB erfasst nur die nachträgliche Unmöglichkeit, d.h. die nach Entstehung des Schuldverhältnisses eintretende Unmöglichkeit. Es kann jedoch auch sein, dass bereits im Zeitpunkt des z. B. Vertragsschlusses eine Unmöglichkeit vorliegt.
Beispiel: V und K schließen bei einem Treffen in einem Restaurant einen Kaufvertrag über ein ganz spezielles Gemälde des V. Dieses befindet sich bei V Zuhause. Bevor V und K den Vertrag schließen, kommt es zu einem Einbruch im Haus des V und die Diebe nehmen das Gemälde an sich.
Dieser Fall der sog. anfänglichen Unmöglichkeit wird nicht von § 275 Abs. 1 BGB, sondern von dem § 311a Abs. 1 BGB erfasst.
Wichtig: Der Vertrag ist und bleibt gem. § 311a Abs. 1 BGB wirksam!
3. Sonderfälle der Unmöglichkeit
a) Zweckerreichung
Hier tritt der Leistungserfolg nicht durch eine Leistungshandlung des Schuldners, sondern auf andere Weise ein. Damit kann der Leistungserfolg nicht mehr durch den Schuldner selbst erbracht werden und es handelt sich für ihn um eine (objektive) Unmöglichkeit, die zum Ausschluss seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB führt. Zum Beispiel ein im Schlamm festgefahrenes Auto kommt von selbst wieder frei.
b) Zweckfortfall
In diesem Fall geht das Leistungssubstrat, auf das sich der geschuldete Leistungserfolg bezieht, unter. Damit kann der Leistungserfolg objektiv nicht mehr erbracht werden. Zum Beispiel ein zu renovierendes Haus brennt vollständig ab, bevor die Renovierungsarbeiten beginnen.
c) Zweckstörung
Bei der sog. Zweckstörung ist der Leistungserfolg zwar noch möglich, aber der Gläubiger hat kein Interesse mehr an dieser. Die Leistung ist also für den Gläubiger sinnlos geworden, da keine Erfüllung mehr durch die Leistungshandlung des Schuldners für ihn eintreten würde. Es handelt sich bei diesem Fall grundsätzlich um keine Unmöglichkeit. Nur ausnahmsweise liegt eine Unmöglichkeit vor, wenn der mit der Leistung verfolgte Zweck zum Inhalt des geschuldeten Leistungserfolges gemacht wurde. In der Regel wird dieser Fall dann über § 313 BGB gelöst.
d) absolutes Fixgeschäft
Ein absolutes Fixgeschäft liegt vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit für den Leistungszweck derart wesentlich ist, dass eine spätere Leistung keine Erfüllung mehr erbringen kann bzw. sinnlos wird z. B. die Taxifahrt zum Flughafen, der Hochzeitsfotograf für die kirchliche Zeremonie.
Dabei ist zu beachten, dass der Zeitpunkt der Leistungserbringung von den Parteien vereinbart und zum wesentlichen Bestandteil des geschuldeten Leistungserfolges wurde. Folglich ist eine spätere Erbringung der Leistung nicht mehr möglich.
Wichtig: Anderseits würde es sich dabei sonst nur um einen Verzug des Schuldners handeln. Daher ist von dem absoluten Fixgeschäft das relative Fixgeschäft abzugrenzen.
Ein relatives Fixgeschäft liegt vor, wenn der Zeitpunkt der Leistungserbringung besondere Bedeutung hat, aber die verspätete Leistung auch nach diesem Zeitpunkt immer noch möglich sowie sinnvoll ist. Es ist folglich eine Nachholbarkeit gegeben, z. B. Die Taxifahrt zum Flughafen, sofern sich der Taxifahrer nur ein wenig verspätet und der Fahrgast dennoch sein Flug erreicht. Anders der Fall mit dem Hochzeitsfotografen, der mit Beginn der kirchlichen Zeremonie die Trauung festhalten soll, aber erst an dessen Ende eintrifft.
4. Grundsatz des § 275 I – Rechtsfolge
Der § 275 I spricht von „soweit“, das heißt nur soweit die Erbringbarkeit der geschuldeten Leistung unmöglich ist, entfällt der Primäranspruch auf die Leistung gem. § 275 I. Demnach führt eine vollständige Unmöglichkeit entsprechend zu dem vollständigen Ausschluss der Leistungspflicht, während eine teilweise Unmöglichkeit nur zum Ausschluss des insoweit unmöglichen Teils der Leistungspflicht führt.