IV. Aufwendungsersatz gem. § 284 BGB

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

Der Gläubiger kann anstelle von Schadensersatz statt der Leistung den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, die er billigerweise im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigt hat.

Wichtig: § 284 BGB kann nur alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden; damit setzt ein Anspruch gem. § 284 BGB die Voraussetzungen eines Schadensersatzes statt der Leistung voraus.

1. Voraussetzungen

a) Schuldverhältnis

b) Bestehen eines Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung

d.h. ein Anspruch nach §§ 281, 282, 283, 311a Abs. 2 BGB. Es müssen deren tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht aber ein derartiger Schaden.

c) Aufwendungen des Gläubigers. Davon sind alle freiwilligen Vermögensopfer des Gläubigers erfasst.

Problem - erwerbswirtschaftliche Aufwendungen

Der primäre Anwendungsfall des § 284 BGB liegt in den ideellen Aufwendungen mit denen nur immaterielle Zwecke verfolgt werden. Fraglich ist, ob der § 284 BGB für erwerbswirtschaftliche Aufwendungen mit denen ein materieller Zweck verfolgt wird ebenfalls anwendbar ist.

e.A. lehnt dies ab und sieht eine Einschränkung des § 284 BGB dahingehend vor, dass dieser nur Aufwendungen erfasst, die ideelle bzw. immaterielle Zwecke verfolgen.

    Arg.: In anderen Fällen würde ohnehin die Rentabilitätsvermutung eingreifen.

    Exkurs:Rentabilitätsvermutung<
    Diese wurde von Rtspr. und Lit. vor dem § 284 BGB angewandt. Nach dieser wurde vermutet, dass sich bei ordnungsgemäßer Erfüllung die getätigten Aufwendungen später „rentiert“ hätten. IdR nahm man an, die kommerziellen Aufwendungen hätten den Gewinn gesteigert.

    Diese Aufwendungen könnten demnach iFe entgangenen Gewinns als positives Interesse iRe Schadensersatzes statt der Leistung geltend gemacht werden. Für die Ansicht spreche auch der Wille des Gesetzgebers, da der § 284 BGB gerade die vorher bestehende Gesetzeslücke für nicht kommerzielle Aufwendungen schließen sollte.

h.M. wendet den § 284 BGB für alle Aufwendungen an.

Arg.: Dies entspricht am ehesten dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber wollte nicht nur die Gesetzeslücke schließen, sondern auch die Unterscheidung zwischen kommerziellen und ideellen Aufwendungen aufheben.

d) Im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung

Die Aufwendungen müssen in einem berechtigten Vertrauen auf die Leistungen erfolgen, d.h. nach Vertragsschluss. Erst mit Vertragsschluss entsteht ein schutzwürdiges Interesse, wobei vereinzelt auch Vertragskosten – z. B. Makler- und Notarkosten – erfasst werden.

e) Billigkeit der Aufwendungen

Hieran sind nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen, sondern es sollen nur die Aufwendungen ausgeschlossen werden, die in einem krassen Missverhältnis zum angestrebten Zweck stehen.

f) Kausalität

Die Aufwendungen dürfen nicht ungeeignet bzw. erfolglos zur Zweckerreichung sein. D.h. solche, die auch bei ordnungsgemäßer Leistung den Erfolg nicht erreicht hätten. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „es sei denn“.

2. Verhältnis

a) Zum Schadensersatz statt der Leistung

Die Ansprüche schließen einander aus. Der Gläubiger hat ein Wahlrecht zwischen Schadensersatz statt der Leistung und einem Anspruch aus § 284 BGB.

b) Zum Schadensersatz neben der Leistung

Ansprüche auf Schadensersatz neben der Leistung und aus § 284 BGB können kumulativ geltend gemacht werden.
Vorsicht ist bei den §§ 536a, 651 f BGB geboten, denn diese erfassen zum einen den Mangelschaden („statt“ und damit alternativ) und den Mangelfolgeschaden („neben“ und damit kumulativ möglich).

c) Zum Rücktritt

Es gilt der § 325 BGB, sodass die Ansprüche kumulativ möglich sind. Der § 347 Abs. 2 BGB als Verwendungsersatz iRd Rücktritts schließt ebenfalls nicht den § 284 BGB aus. Während ersterer Aufwendungen allein als Folge eines Rücktritts und aufgrund des Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 346 ff. BGB ersetzt, erfasst der § 284 BGB alle Aufwendungen hinsichtlich des zunächst bestehenden Schuldverhältnisses.

d) Zur cic

Während der § 284 BGB sich auf den Vertrauensschaden bezieht, ersetzt die cic das negative Interesse. Der Gläubiger ist demnach so zu stellen, als hätte er nie etwas von der Vertragsmöglichkeit gehört. Er kann iRd Differenzhypothese gem. § 249 Abs. 1 BGB sämtliche Aufwendungen, die kausal mit seiner Vertragsabsicht zusammen hängen, ersetzt bekommen.
So ist die Rechtsfolge mit § 284 BGB inhaltlich identisch und sie stehen in Anspruchskonkurrenz zueinander. Diese Ansprüche trennen sich an dem Tatbestandsmerkmal „im Vertrauen auf die Leistung“. Während § 284 BGB nur solche Aufwendungen erfasst, die nach dem Vertragsschluss getätigt wurden, erfasst die cic die Aufwendungen iRd vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Die Überschneidung liegt allenfalls in den Vertragskosten.

3. Beschränkung durch AGBen

Eine weitere Frage ist, ob ein Aufwendungsersatz nach § 284 BGB durch AGB ausgeschlossen werden kann. Nach § 309 Nr. 7 BGB können Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, durch einen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden.
Ein vollständiger Ausschluss des § 284 BGB bei leichter Fahrlässigkeit (nach dem Motto „ins Blaue hinein“) ist nicht möglich. Vielmehr müsste genau beschrieben werden, welche Aufwendung erstattet werden und welche nicht, um auch dem § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu entsprechen und die Klausel transparent zu machen.