§ 306a StGB - Schwere Brandstiftung

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

I. Schwere Brandstiftung nach § 306a I StGB

Der § 306a StGB stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt mit allgemein gefährlichem Charakter dar. Die Eigentumsverhältnisse an der Sache sind damit unerheblich.

1. Objektiver Tatbestand

Die Tathandlung liegt hier ebenso wie beim § 306 StGB in der Inbrandsetzung oder Brandlegung. Die Tatobjekte sind in § 306a I StGB explizit bestimmt, wobei es nicht auf dessen Eigentumsverhältnisse ankommt.

Nr. 1 – ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient

Die höchste Klausurrelevanz wird die Räumlichkeit haben, die dem Wohnen von Menschen dient. Diese Räumlichkeiten sind wie iRd §§ 123, 243, 244 StGB zu definieren. Der Begriff der Wohnung erfasst damit jede Räumlichkeit bzw. jedes Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden und durch entsprechende Vorkehrungen vor dem Eindringen Unbefugter geschützt wird und als ständiger Aufenthaltsort genutzt wird, z.B. auch Wohnmobil, Ferienwohnung, Monteurswohnung, etc. Entscheidend ist, dass die Räumlichkeit tatsächlich zumindest gelegentlich oder vorübergehend als Lebensmittelpunkt von Menschen genutzt wird. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich im Tatzeitpunkt auch wirklich jemand dort aufgehalten hat, da es sich bei dem § 306a I StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.

Problem: Entwidmung der Räumlichkeit

Wollen die Bewohner einer Räumlichkeit diese nicht weiter zu Wohnungszwecken benutzen, kann insofern eine sog. Entwidmung vorliegen und es bedarf einer näheren Auseinandersetzung mit dem Begriff der tatsächlichen Wohnungsnutzung im konkreten Einzelfall. Der Wille zur Aufhebung des Wohnungszweckes allein genügt nicht, sondern es ist vielmehr entscheidend, dass auch tatsächliche Vorkehrungen zur Aufhebung des Wohnungszweckes erfolgt sind. Bei mehreren Bewohnern kann die Entwidmung auch nicht allein von einem der Bewohner vorgenommen werden, anders liegt der Fall, sofern ein Fremdbesitzer als einziger Bewohner oder der alleinige Eigentümer eine entsprechende Entwidmung vornimmt.

Problem: Der „umsichtige“ Brandstifter

Der umsichtige Brandstifter vergewissert sich vor Begehung der Tathandlung, dass sich in dem Tatobjekt keine Menschen aufhalten. Es ist insoweit fraglich, ob in Anbetracht des Vergewisserns und der damit offensichtlich nicht gegebenen Gefährdung anderer Menschen der § 306a I StGB in einem solchen Fall keine Anwendung findet.

Eine Ansicht möchte insoweit eine teleologische Reduktion aufgrund des hohen Strafrahmens annehmen, da in diesen Fällen die vorausgesetzte abstrakte Gefährdung des Handelns eindeutig nicht gegeben sei.

Die Rspr . sieht in der vorherigen Vergewisserung des Täters ein unerhebliches Handeln. Bei mehreren Räumen bzw. einem größeren Raumgebilde, könne sich der Täter nie absolut sicher sein, dass sich keine Personen mehr dort befinden. Eine Ausnahme könne nur in den Fällen angenommen werden, in denen es sich um eine Ein-Raum-Wohnung oder kleine Hütte handelt, die mit einem Blick absolut zuverlässig und lückenlos zu überschauen sind.

Problem: Gemischt genutzte Gebäude

Ein gemischt genutztes Gebäude dient neben dem Wohnzweck auch einem gewerblichen Zweck. Zunächst ist festzustellen, dass auch tatsächlich nur ein Gebäude vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die unterschiedlich genutzten Räumlichkeiten durch ein gemeinsames Treppenhaus oder sonstige bauliche Beschaffenheit derartig miteinander verbunden sind, dass in ihnen ein einheitlicher Gebäudekomplex angenommen werden kann. Gegen die Annahme eines zusammenhängenden Gebäudes können hingegen Brandschutzvorkehrungen sprechen, wie z.B: Brandschutztüren oder -mauern. Liegt ein (zusammenhängendes) Gebäude vor, ist weiter zu prüfen, ob auch der für Wohnzwecken vorgesehene Bereich des Gebäudes betroffen ist.

Während eine Ansicht in der Literatur fordert, dass der zum Wohnen genutzte Bereich tatsächlich brennt, genügt es nach der Rspr. bereits, wenn die Gefahr des Übergreifens des Brandes nicht auszuschließen war. Dies ergebe sich aus der Gemeingefährlichkeit der Brandstiftungsdelikte und der Unbeherrschbarkeit einer Feuerentwicklung. Entscheidend ist jedoch, dass die Gefahr des Übergreifens auch tatsächlich nicht auszuschließen war. Nicht ausreichend ist hingegen die bloße (entfernte) Möglichkeit eines Übergreifens. Diese Möglichkeit ist jedoch ausschließlich bei der Tathandlung des Inbrandsetzens möglich. Bei einer Brandlegung stellt sich diese Problematik schon gar nicht, da sie bereits begrifflich auf den Eintritt der Zerstörungswirkung im Wohnbereich abzielt.

Nr. 2 – eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude

Hat eher geringe Klausurrelevanz, ansonsten ist auch hier die Zweckbestimmung des Gebäudes im Einzelfall maßgeblich.

Nr. 3 – eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen

Bei den von Nr. 3 erfassten Räumlichkeiten handelt es sich um solche, die nicht dem Wohnen eines Menschen iSe Lebensmittelpunktes dienen, sondern lediglich dem vorübergehenden, zeitlich überschaubaren Aufenthalt von Menschen, z.B. Bürogebäude, Arbeitsstätten. Entscheidend ist dabei, dass die Tathandlung zu einer Zeit geschieht, in der grundsätzlich ein Aufenthalt bzw. die Nutzung der Räumlichkeiten von Menschen gegeben ist.

2. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand erfordert zumindest Eventualvorsatz hinsichtlich des Vorliegens aller objektiven Tatbestandsmerkmale.

3. Rechtswidrigkeit

Mangels des Tatbestandsmerkmals der Fremdheit und des allgemein-gefährlichen Charakters ist in den § 306a I StGB keine Einwilligung möglich.

II. Schwere Brandstiftung nach § 306a II StGB

Bei dem § 306a II StGB handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Es schützt insoweit die Gesundheit anderer Menschen, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an der Sache.

1. Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand erfordert zum einen ein Tatobjekt gem. § 306 I Nr. 1 bis 6 StGB, aber ohne das Merkmal der Fremdheit. Die Tathandlung liegt auch hier in dem Inbrandsetzen oder in der Brandlegung iSd § 306 I StGB.

Der entscheidende Unterschied zum § 306 I StGB liegt hier in der konkreten Gefährdung eines anderen Menschen. Die Bestimmung der konkreten Gefahr erfolgt wie in den Straßenverkehrsdelikten. Damit liegt eine solche vor, wenn eine derart kritische Situation vorliegt, bei der es nur noch vom Zufall abhängt, ob eine tatsächliche Schädigung – hier die Gesundheitsschädigung – eintritt oder nicht. Die Gesundheitsschädigung ist iSd § 223 I StGB zu verstehen und folgt der dortigen Definition. Die konkrete Gefahr muss – iSd eindeutigen Wortlauts „dadurch“ – auch kausal durch die Tathandlung verursacht worden sein, iSe sog. Gefahrverwirklichungszusammenhangs.

Problem: „Retter“ als Opfer

Fraglich ist die Behandlung einer konkreten Gefahr für Retter, wie z.B. Feuerwehrleute, Polizisten, Nachbarn etc., die das Raumgebilde freiwillig betreten und sich dadurch erst in die konkrete Gefahr begeben. Es ist in diesen Fällen zu prüfen, ob diese Gefährdung ebenso von dem Schutz des § 306a II StGB miterfasst wird. Dies könnte insoweit fraglich sein, da sie nicht durch die Tathandlung konkret in die Gefahr geraten sind, sondern erst durch das eigene freiwillige Verhalten in diese geraten sind.

Nach einer Ansicht soll es aufgrund der freiwilligen Ingefahrbringung an dem gefahrspezifischen (Verwirklichungs-) Zusammenhang fehlen. Immerhin wohne jedem Unglücksfall bzw. jeder Straftat ein solches Risiko inne und sei damit nicht mehr der Brandstiftung eigentümlich.

Die Rspr. unterscheidet danach, ob sich die Gefährdung der Retter als eine typische Folge der Brandstiftung verstehen lässt. Damit sind professionelle Retter, die sich berufstypisch in die Gefahrensituation begeben, von dem Schutzbereich der Norm erfasst, da der Täter insoweit mit einem solchen Verhalten rechnen konnte. Die Grenze liegt bei Rettungen, die von vorneherein offensichtlich aussichtslos sind. Mit solchen musste der Täter demnach nicht mehr rechnen.

Bei sonstigen bzw. privaten Rettern kann ein freiwilliges Begeben in die Gefahrenlage nicht mehr vom Schutz erfasst angesehen werden. Ausnahmen könnten nur insoweit bei besonderen Näheverhältnissen zwischen dem privaten Retter und der gefährdeten Person angenommen werden, z.B. Eltern und Kinder. In solchen Fällen hätte der Täter mit der freiwilligen Gefährdung rechnen können. Keine typische Brandstiftungsfolge ist hingegen bei der freiwilligen Gefährdung eines Außenstehenden, z.B. Nachbar oder vorbeikommender Dritter, gegeben.

Für die Ansicht der Rspr. spricht der Wille des Gesetzgebers, der das Kriterium der Anwesenheit gestrichen hat, um gerade auch den Schutz von Rettern zu erfassen. Gleichzeitig dürfe keine uferlose Zurechenbarkeit angenommen werden. Es bedarf vielmehr eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände im konkreten Einzelfall.

2. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand erfordert zumindest Eventualvorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale, folglich auch hinsichtlich der konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen. Es handelt sich bei dem § 306a II StGB um ein reines Vorsatzdelikt. Dies folgt bereits aus der Existenz des § 306d II StGB, der insoweit den Fall einer fahrlässigen Verursachung der Gefahr normiert.

III. Verhältnis des § 306a StGB zum § 306 StGB

Nach der Rspr. schützen die Vorschriften unterschiedliche Rechtsgüter, sodass es sich bei dem § 306a StGB nicht um eine Qualifikation zum § 306 StGB handelt. Der § 306 StGB schützt das Eigentum, während der § 306a StGB die körperliche Unversehrtheit schützt.