Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
I. Gegenstand des Sachenrechts
Das Sachenrecht regelt die Zuordnung von Vermögensgegenständen. Es befasst sich mit den Beziehungen von Personen (als Rechtssubjekten) zu Sachen iSd § 90 BGB (als Rechtsobjekten). Darüber hinaus regelt es die Zuordnung von Sachen und Sachbestandteilen. Zu Sachbestandteilen gehört das Zubehör iSd § 97 BGB sowie die wesentlichen Bestandteile iSd §§ 93 ff. BGB. Tiere werden nicht vom Sachbegriff erfasst, sondern sind unter § 90a BGB speziell geregelt. Sie werden allerdings wie bewegliche Sachen behandelt.
II. Funktionen des Sachenrechts
Das Sachenrecht kennzeichnet sich durch folgende Funktionen:
- Zuordnungsfunktion: Wie oben bereits beschrieben, dient sie der Klärung der Berechtigung.
- Definitionsfunktion: Dient der Schaffung von Rechtsklarheit und -sicherheit.
- Differenzierungsfunktion: Diese Funktion dient der Schaffung von Voll- und Teilrechten zur Nutzungs- und Vermarktungsoptimierung.
- Transaktionsfunktion: Bereitstellung von Erwerbsregelungen, um damit die Umlauffähigkeit einer Sache zu ermöglichen, §§ 929 ff. BGB.
- Absicherungs- und Gewährleistungsfunktion: Zum Schutz der Zuordnung sieht das Sachenrecht Ausgleichsansprüche für Verletzungen der Rechte sowie Abwehrrechte zu dessen Schutz vor.
III. Grundprinzipien des Sachenrechts
Aus dem Regelungsgegenstand sowie den Funktionen des Sachenrechts ergeben sich gewisse Grundprinzipien, die bei jeder Anwendung des Sachenrechts im Hinterkopf zu behalten sind.
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Absolutheitsprinzip
Hier liegt der entscheidende Unterschied zu schuldrechtlichen Ansprüchen, die im Gegensatz zu dinglichen Rechten nicht gegenüber jedermann gelten, sondern nur inter patres. -
Numerus clausus der Sachenrechte
Aufgrund der Absolutheit der dinglichen Rechte ist es erforderlich, dass für jedermann ersichtlich ist, welchen Ansprüchen er ausgesetzt sein könnte. Daher lässt das BGB nur eine begrenzte Anzahl von dinglichen Rechtstypen zu und ist im Hinblick auf deren Inhalt und Umfang zudem abschließend geregelt. Im Grundsatz entspricht es der Funktion der Rechtsklarheit. Daraus folgt, dass die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt sind und keine neuen Rechte begründen oder ausgestalten können.Hierbei sind die Ausnahmen des Treuhandeigentums (zu dem auch die Sicherungsübereignung gehört) sowie das Anwartschaftsrecht zu beachten, die im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung geschaffen wurden.
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Publizitätsprinzip (Offenkundigkeitsprinzip)
Aus der Absolutheit der dinglichen Rechte ergibt sich weiter die Notwendigkeit einer erkennbaren (offenkundigen) Übertragung eines solchen Rechts. Sie bedürfen daher eines Publizitätsaktes, der die dingliche Rechtsänderung durch einen äußeren Umstand (z. B. Übergabe der Sache) auch für Dritte erkennbar macht. -
Bestimmtheitsgrundsatz (Spezialitätsgrundsatz)
Dingliche Rechte können sich immer nur auf eine konkrete einzelne Sache im Rechtssinne beziehen. Die Sache muss demnach konkret bestimmt sein. Das bedeutet, der Gegenstand, an dem sich die Rechtsänderung vollziehen soll, muss im Zeitpunkt der von den Parteien vorgestellten Vollendung des Rechtserwerbs allein anhand der (Verfügungs-) Einigung bestimmt werden können. Eine Bestimmbarkeit genügt nicht. -
Trennungsprinzip
Die Grundaussage des Trennungsprinzips ist, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft von dem dinglichen Verfügungsgeschäft zu unterscheiden (bzw. zu trennen) ist. Im Grundsatz bedeutet dies, dass das Verpflichtungsgeschäft nicht die dingliche Rechtslage verändern kann, sondern hierfür immer ein getrenntes Verfügungsgeschäft erforderlich ist. Dies ist bereits dem § 433 Abs. 1 BGB zu entnehmen, denn nach diesem besteht die Primärpflicht des Verkäufers darin, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.Das Trennungsprinzip erleichtert somit den Abschluss schuldrechtlicher Verträge, denn nur aufgrund dessen kann z. B. bereits ein Kaufvertrag über eine noch herzustellende Sache geschlossen werden.
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Abstraktionsprinzip
Auf dem Trennungsprinzip aufbauend bestimmt das Abstraktionsprinzip die rechtliche Unabhängigkeit der schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte voneinander. Die Wirksamkeit einer Verfügung hängt folglich nicht vom Vorliegen eines wirksamen Kausalgeschäfts ab. Es dient primär dem Verkehrsschutz.Wichtig:
Auch hier kann eine Fehleridentität durchgreifen, sodass sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft von derselben Fehlerquelle betroffen ist (z. B. §§ 123, 134, 138 BGB) – dennoch muss die Kausalität des Fehlers für jedes Rechtsgeschäft einzeln geprüft werden.
IV. Der Sachbegriff
1. Sachen iSd § 90 BGB
Im Sinne des § 90 BGB sind Sachen körperliche Gegenstände. Das bedeutet alles, was sinnlich wahrnehmbar und räumlich abgrenzbar ist, wobei der Aggregatzustand unerheblich ist. Als Gegenstand ist alles erfasst, was Objekt von Rechten sein kann. Der § 90 BGB selbst unterscheidet dabei nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen.
2. Sonstige Sachbegriffe
a) Vertretbare Sachen, § 91 BGB – bewegliche körperliche Gegenstände einer Art, die mangels Individualisierungsmerkmale untereinander austauschbar sind.
b) Verbrauchbare Sachen, § 92 BGB – bewegliche Sachen, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch in dem Verbrauch oder in der Veräußerung besteht.
c) Bestandteile – Teile einer Sache, die durch eine körperliche Verbindung ihre ursprüngliche Selbstständigkeit verlieren.
d) Wesentliche Bestandteile einer Sache, § 93 BGB und eines Grundstücks, § 94 BGB – liegen vor, wenn bei deren Abtrennung erhebliche Werteinbußen aufgrund der Zerstörung oder der Wesensveränderung eines oder beider Bestandteile drohen.
Der § 94 I BGB erfasst die Sachen, die fest mit einem Grundstück verbunden sind, sowie Erzeugnisse, sofern diese mit dem Grund und Boden zusammenhängen. Nach § 94 II BGB sind die Sachen, die zur Herstellung eines Gebäudes auf dem Grundstück eingefügt wurden, wesentliche Bestandteile eines Gebäudes.
Wichtig:
Wesentliche Bestandteile sind nicht sonderrechtsfähig! Die Eigentumsverhältnisse richten sich nach den §§ 946 ff. BGB (dazu später mehr).
e) Zubehör, § 97 BGB – sind bewegliche, nicht zu den Bestandteilen iSd §§ 93, 94 BGB zählende, rechtlich selbstständige Sachen. Sie sind dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt und stehen zu dieser in einer räumlichen Beziehung.