Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Geheißerwerb
Hilfsperson kann auch jemand sein, der weder Besitzdiener noch Besitzmittler ist und sich dennoch tatsächlich unterordnet, sog. Geheißperson. Der Geheißerwerb ermöglicht somit die Übereignung einer Sache durch die Einschaltung einer Mittelsperson, die lediglich (in dem konkreten Fall) auf Weisung (d. h. auf Geheiß) des Veräußerers oder Erwerbers handelt.
Aufseiten des Veräußerers ist die Einschaltung einer Geheißperson insoweit problematisch, dass er selbst keine Besitzposition innehat, sondern eine rein tatsächliche Besitzverschaffungsmacht, die sich aus der Befolgung der Geheißperson ergibt. Dennoch wird die Übergabe durch die Geheißperson der Übergabe durch den Veräußerer gleichgestellt. Dies erfolgt aus dem einfachen Grund, dass der Veräußerer durch die Besitzverschaffungsmacht, in dem er die Geheißperson per Weisung anführen kann, auch als „Herr der Sache“ verstanden werden kann.
a) Streckengeschäfte und doppelter Geheißerwerb
Streckengeschäfte sind im heutigen Warenverkehr die Regel und stellen im Grunde nur Veräußerungsketten dar. Wie zum Beispiel folgender Fall:
Der Kunde (K) in Bonn bestellt beim Händler (Hä) in Hamburg eine Couchgarnitur. Der Hä bestellt daraufhin selbst die von K bestellte Garnitur beim Großhändler (GroßHä) in Köln und veranlasst bei diesem die direkte Lieferung der Garnitur an K.
Für eine mögliche Eigentumsübertragung kommen zunächst einmal drei verschiedene Möglichkeiten in Betracht. So könnte der Kunde vom Großhändler die Garnitur direkt erwerben oder aber der Kunde erwirbt die Garnitur vom Händler unter Zustimmung des Großhändlers nach § 185 Abs. 1 BGB. Die dritte Möglichkeit wäre der Geheißerwerb, bei dem ein sog. Durchgangserwerb erfolgt.
b) Scheingeheißerwerb
Hierzu folgender Fall:
Der Arbeitnehmer S verkauft 10 Kisten Wein an den E. Sie vereinbaren dabei, dass E die Kisten direkt nach Hause geliefert bekommen soll. Im Nachfolgenden werden die Kisten auch von X, dem Arbeitgeber von S, an E geliefert.
Das Problem liegt in diesem Fall darin, dass X nicht die Geheißperson des S ist, da er als Arbeitgeber nicht dessen Weisungen unterliegt. Die Weisungsgebundenheit ergibt sich allein aus der Sicht des E, der annimmt, dass X für den S bzw. auf dessen Weisung hin ihm die Kisten liefert. Damit könnte der Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1 BGB daran scheitern, dass die Besitzverschaffung eben gerade nicht auf Veranlassung des Veräußerers erfolgt. Es liegt folglich keine dingliche Einigung zwischen X und E vor.
Lit.: stellt den besitzenden mit dem anweisenden Veräußerer gleich, sofern eine tatsächliche Besitzverschaffungsmacht vorliegt.
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Für die Übergabe sei ein Tätigwerden der Geheißperson in tatsächlicher und bewusster Unterordnung unter den Willen des Veräußerers erforderlich – sodass der erforderliche Zusammenhang zwischen der Einigung und Übergabe auch in solchen Fällen gegeben sei.
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Denn, auch wenn keine tatsächliche Unterordnung vorliegt, die Übergabe erfolgt einigungsmotiviert und im Grunde auf „Veranlassung des Veräußerers“.
- Damit kommt eine solche Gleichstellung nicht mehr in Betracht, sofern der besitzende Veräußerer aus anderer Motivation handelt, z. B. er möchte selbst übereignen.
Die Rechtsprechung bestimmt die Geheißpersonqualifikation ausschließlich anhand des Empfängerhorizonts, d. h. bestimmt diese danach, wie ein verständiger Dritter das Verhalten verstehen durfte, sog. Scheingeheißperson.
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Gegen die Ansicht der Literatur spreche, dass der Erwerber in der Regel nicht erkennen könne, ob sich jemand nach Weisung verhält oder wem wer unterworfen sei.
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Der Erwerber ist demnach schutzwürdiger.
Im Ergebnis ist demnach ein Eigentumserwerb mit Übergabe der Sache durch eine Scheingeheißperson anzunehmen.
Folge ( P ) ist der gutgläubige Erwerb iRd Scheingeheißerwerbs
Zum Beispiel im Fall war S Nichtberechtigter. Ansonsten bleibt der Fall wie oben und X liefert (trotz Nichtberechtigung des S) an E aus.
Das Problem liegt im Grunde darin, dass die Ansicht der Literatur keine Anwendung mehr finden kann. S war Nichtberechtigter, es fehlte ihm bereits an einer Besitzverschaffungsmacht, sodass keine Gleichstellung im Sinne der Literaturansicht erfolgen kann.
Der BGH hat diese Problematik aus Vertrauensgesichtspunkten einfacher gelöst. Der E ist schutzwürdiger, sodass ein Rechtsschein anzunehmen ist, solange der Dritte diesen nicht zerstört. Es bleibt somit bei der Bestimmung aus der Sicht des Empfängers, sodass er diese nur als Leistung des vermeintlichen Schuldners verstehen muss.