II. Zeugenbelehrung - §§ 52, 252 StPO

= wesentliche Förmlichkeit iSv § 273 I StPO. Beweis durch Protokoll (+)

1. § 52 III S. 1, II StPO Fehlende Belehrung in Hauptverhandlung oder im Ermittlungsverfahren § 161 I S. 2, 163 III StPO

= absolutes Verwertungsverbot der unter Verstoß zustande gekommenen Aussage § 261 StPO
Kann auch nicht durch Vernehmung der Verhörsperson des Ermittlungsverfahrens oder einer Verlesung des Verhörsprotokolls ersetzt werden. Dadurch würde eine Umgehung der Vorschrift stattfinden.

Aber: Es besteht die Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts auf das Zeugnisverweigerungsrecht

Beachte: zuvor unter Belehrung erfolgte Aussagen sind weiterhin verwertbar (+)

Problem: „Angehöriger“ iSd §§ 1589, 1590 BGB (+)

Ein Cousin zählt damit nicht als Angehöriger, da die Seitenlinie 4. Grades zu weit geht.

Problem: Irrtum über Angehörigenverhältnis
Beispiel: Stiefmutter denkt, sie sei keine Angehörige und sagt deswegen aus.
In der Folge ist eine qualifizierte Belehrung darüber zu erteilen, dass auch Stiefmütter Angehörige sind.
Problem: Gericht belehrt, obwohl der Zeuge kein Angehöriger ist
  • Zeuge war geladen und sagt wegen der Belehrung nicht aus: § 245 I S. 1 StPO verletzt.
  • Zeuge war nicht geladen und sagt wegen der Belehrung nicht aus: § 244 II StPO verletzt.
Problem: Minderjähriger Zeuge

Bei mangelnder Verstandsreife muss der gesetzliche Vertreter der Vernehmung zustimmen.
Verstandsreife wird ab ca. 7 Jahren angekommen.
Beachte: sofern der gesetzliche Vertreter der Angeklagter ist, ist die Bestellung eines Ergänzungspfleger erforderlich!

=> Bei Verstoß darf Aussage nicht verwertet werden!

Problem: Angehöriger eines Mitangeklagten

Das Weigerungsrecht bleibt auch im Fall der Abtrennung des Verfahrens bestehen bis das gegen den Mitbeschuldigten des Angehörigen geführte Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder der Mitbeschuldigte gestorben ist.
Bei rechtzeitiger Nachholung der Belehrung oder sofern der Zeuge sein Recht gekannt hat oder auch trotz Belehrung sicher ausgesagt hätte, beruht das Urteil nicht auf dem Verstoß.

Der Zwischenrechtsbehelf nach § 238 II StPO ist nicht erforderlich, da die Belehrung eine gesetzlich gebotene Handlung darstellt.

2. § 252 StPO

Fall: Zeuge macht erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebrauch

In der Folge besteht ein Verwertungsverbot bzgl. der Aussage aus der vorherigen Vernehmung Daneben darf auch das Protokoll darf nicht verlesen werden und auch keine Befragung der Verhörsperson stattfinden. Auch darf die Aussage nicht mittelbar durch die Verlesung des Haftbefehls in die Verhandlung eingeführt werden.
Ausnahme: Die erste Vernehmung ist durch einen Richter erfolgt, der den Zeugen entsprechend richtig belehrt hat. Dann darf der Richter vernommen werden. Das Protokoll darf hingegen weiter nicht verlesen werden.

Beachte:

  • § 252 StPO Gilt nur bei bestehendem Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 52, 53, 53a, StPO. § 252 StPO gilt hingegen nicht bei bestehen eines Aussageverweigerungsrechts nach § 55 StPO! (Kein Schutz des Beschuldigten!)
    Sofern sowohl ein Zeugnisverweigerungsrecht § 52 ff StPO als auch ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO besteht, ist zu klären, auf welches Recht die Aussageverweigerung gestützt wird.
  • § 252 StPO erfasst keine freiwilligen Aussagen wie Spontanäußerungen oder eine Strafanzeige, da die Aussagen außerhalb einer amtlicher Befragung erfolgt sind.
  • § 252 StPO gilt auch für Aussagen, die Verteidiger protokolliert hat!
    (wenn § 252 StPO für StA/Richter als unabhängige Organe gilt, dann erst Recht für einseitige, die Interessen des Angeklagten wahrnehmendes Organ)
  • Gilt auch für Aussagen gegenüber Sachverständigem bzgl. Zusatztatsachen
  • Wenn der Zeuge zu einem früheren Zeitpunkt im selben Verfahren selbst Beschuldigter war und jetzt weigerungsberechtigt nach § 52 StPO ist, darf selbst der Richter nicht vernommen oder das Protokoll nach § 251 StPO verlesen werden, selbst wenn eine Belehrung nach § 52 StPO erfolgt ist.
  • Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Zeuge in seiner Rolle als Beschuldigter ggf. nur wegen der Notwendigkeit der Selbstverteidigung ausgesagt hat.
    Ausnahme: Mitbeschuldigter entzieht sich der Verantwortung durch Flucht
    Dann darf eine Verlesung und Verwertung der Aussage als Beschuldigter nach § 251 I Nr. 2 StPO erfolgen.

  • Bei § 52 StPO kann das Weigerungsrecht vor oder nach der Vernehmung entstanden sein.
  • Bei §§ 53, 53a StPO muss das Weigerungsrecht zum Zeitpunkt der Vernehmung bestanden haben!
  • Ausnahme: Bei Entbindung von der Schweigepflicht ist die aussage verwertbar. Ein Widerruf der Entbindung gilt dann nur für die Zukunft.

    Aussagen Verstorbener sind immer verwertbar! (Kein Schutzbedarf mehr)