Widerspruchsbescheid

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

Die Prüfung eines Widerspruchsbescheides ist immer dann relevant, wenn bereits ein Erstbescheid erlassen wurde, gegen den der jeweils Beschwerte Widerspruch erhoben hat.
Das Wissen zur materiell-rechtlichen Prüfung eines Widerspruchs wird vorausgesetzt. Die folgende Übersicht dient lediglich einer groben Orientierung, an welche Punkte im ersten Teil (Gutachten) zwingend gedacht werden muss und von besonderer Bedeutung sind.

I. GUTACHTEN

1. Widerspruch als zulässige Entscheidungsform

  • Auslegung der Erklärung, ob Widerspruch vorliegt oder ein anderer Rechtsbehelf gewollt ist
  • Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde § 73 Abs. 1 S. 2 VwGO
    = grundsätzlich die nächst höhere Behörde § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO
    ⇔ In den Fällen von § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; Nr. 3; Abs. 1 S. 3 VwGO = Ausgangsbehörde
  • Erfolglos durchgeführtes Abhilfeverfahren?

2. Zulässigkeit des Widerspruchs

a. Verwaltungsrechtsweg eröffnet § 40 VwGO analog
b. Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs § 68 VwGO
c. Widerspruchsbefugnis § 42 Abs. 2 VwGO analog
d. Widerspruchsfrist § 70 Abs. 1 VwGO

= 1 Monat nach Bekanntgabe des VA
Beachte: Die Frist beginnt nur zu laufen, wenn eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des VA mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt ist.

  • Rechtsfolge bei fehlender Bekanntgabe: § 242 BGB Verwirkung
  • Rechtsfolge einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung: § 58 Abs. 2 VwGO

Bei Fristsäumnis denke an § 60 VwGO und die Möglichkeit der Widereinsetzung in den vorigen Stand.

e. Kein Verzicht/ Rücknahme des Widerspruchs
f. sonstige beteiligtenbezogenen Sachurteilsvoraussetzungen

3. Begründetheit des Widerspruchs

a. Ermächtigungsgrundlage/ Anspruchsgrundlage
b. Formelle Rechtmäßigkeit

Beachte insbesondere §§ 45 und 46 VwVfG und die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern im Rahmen des Widerspruchsverfahren, sofern die versäumte Handlung nachgeholt wird.
⇔ Bloße Durchführung des Widerspruchsverfahrens selbst, ohne sich mit den Argumenten des Beschwerdeführers oder dem Sachverhalt auseinander zu setzen, stellt keine wirksame Heilung dar.

c. Materielle Rechtmäßigkeit
  • Zeitpunkt für die Entscheidung über den Widerspruch § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
    = Gegenwart
    ↔ Widerspruch durch Nachbarn: wegen die durch Art. 14 GG erlangte geschützte Rechtsposition ist der Zeitpunkt des Erlasses des Erstbescheids maßgeblich.
  • Beachte nur eingeschränkt überprüfbare Sachverhalte z.B. in den Fällen von:
    • Selbstverwaltungsangelegenheiten: nur Rechtmäßigkeitskonstrolle
    • iRv § 36 BauGB gebundene Entscheidung bei Zuständigkeit der landesrechtlichen Kommunalaufsichtsbehörde für Ersetzung
d. Rechtsverletzung/ Bei Rechtmäßigem VA ggf. Unzweckmäßigkeit

4. Nebenentscheidungen

  • Anordnung des Sofortvollzuges § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
  • Aussetzung der sofortigen Vollziehung § 80 Abs. 4 VwGO
  • Vollstreckungsrechtliche Maßnahmen
    Insbesondere Zwangsmittel wie Ersatzvornahme/ Zwangsgeld
  • Kosten §§ 72, 73 Abs. 3 S. 3 VwGO iVm § 80 VwVfG
    • Auslagen immer erstattungsfähig (+)
    • Gebühren: je nach Bundesland. In NRW (-)
      „Dieser Bescheid ergeht Gebührenfrei“

5. Zusammenfassender Vorschlag/ Vorgehensweise

„Es wird vorgeschlagen den Widerspruch vom xx.xx.xxxx gegen den Bescheid des Oberbürgermeisters (Ausgangsbehörde) vom xx.xx.xxxx zurückzuweisen / stattzugeben. (Zudem soll die sofortige Vollziehung von Ziffer X des Bescheides vom xx.xx.xxxx angeordnet werden.“

II. PRAKTISCHER TEIL

(Entwurf eines Widerspruchsbescheids)

Stadt X
Der Oberbürgermeister (Widerspruchsbehörde)
Abteilung XY
Az. 123/20 Münster, den xx.xx.xx
PZU (Zustellungsart)
idR unförmlich (+)

Ausnahme:
- Androhung von Zwangsmitteln
- zu Beweiszwecken

    ⇒ PZU § 3 Abs. 1 VwZG
    = belastender VA + kein RA
    ⇒ EB § 5 Abs. 1 VwZG
    = RA vorhanden
Herr Mustermann (Adressat(en) des Bescheids)
Musterstraße 12
12345 Musterstadt

Beachte:

  • An gesetzlichen Vertreter bei Geschäftsunfähigen
  • An RA bei Empfangsvollmacht

Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung (Betreff)
Ihr Widerspruch vom xx.xx.xxxx (Bezug)

Sehr geehrte(r) Herr/ Frau Mustermann,

hiermit erlasse ich folgenden

Widerspruchsbescheid

Hauptsache

Beispiele „Anfechtung“:

- Ihren Widerspruch vom xx.xx.xxxx gegen meinen Bescheid vom xx.xx.xxxx weise ich zurück.
- Ihren Widerspruch vom xx.xx.xxxx gegen den Bescheid des Ordnungsamtes vom xx.xx.xxxx weise ich zurück.
- Auf Ihren Widerspruch vom xx.xx.xxxx hebe ich die Verfügung des Oberbürgermeisters vom xx.xx.xxxx (insoweit) auf, (als... Im Übrigen weise ich Ihren Widerspruch zurück.)
- Das Widerspruchsverfahren wird eingestellt. (Erledigung durch Rücknahme des Widerspruchs)

Beispiele „Verpflichtung“:

- Ihren Widerspruch vom xx.xx.xxxx gegen den Bescheid des Ordnungsamtes vom xx.xx.xxxx weise ich zurück.
- Unter Aufhebung des Bescheides der Stadt Bielefeld vom xx.xx.xxxx, erteile ich Ihnen auf Ihren Antrag vom xx.xx.xxxx die Genehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes...“
- Auf Ihren Widerspruch vom xx.xx.xxxx hebe ich den Bescheid der Stadt Münster vom xx.xx.xxxx insoweit auf, als dass... Ihrem Antrag auf... wird insoweit entsprochen, als dass... Im Übrigen weise ich Ihren Widerspruch zurück.

Nebenentscheidungen

Beispiele:

- Die sofortige Vollziehung (der Ziffer X des Bescheides vom xx.xx.xxxx) wird angeordnet.
- Die Vollziehung des Bescheides des Landrats vom xx.xx.xxxx wird ausgesetzt.
- Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.
- Der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist damit gegenstandslos.
(rein deklaratorisch, sofern Widerspruch + Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO Erfolg haben)

- Die Androhung der Ersatzvornahme hebe ich auf.

- Die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat der (Rechtsträger der Ausgangsbehörde/ Widerspruchsführer) zu tragen.
- Die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben der Widerspruchsführer zu 40% und das Land NRW (Rechtsträger der Ausgangsbehörde) zu 60 % zu tragen.
- Das Land NRW (Rechtsträger der Ausgangsbehörde) hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.

- Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Sachverhaltsdarstellung (sofern verlangt)

  • Tatbestand chronologisch
  • Bereits erfolgte Anhörung + Vorbringen des Adressaten skizzieren.

I.

„Am xx.xx.xxxx haben Sie einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes in der X-Straße Y, Flurstück Z....(genaue Lagebeschreibung) bei der Stadt A gestellt.

Mit Bescheid vom xx.xx.xxxx hat die Stadt A Ihren Antrag abgelehnt. Zur Begründung trägt die Stadt A insbesondere vor... (+ Angaben zur Rechtsmittelbelehrung, sofern ein Fristenproblem bestehen könnte).

Gegen diesen Bescheid, der Ihnen am xx.xx.xxxx per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, haben Sie mit Schreiben vom xx.xx.xxxx, eingegangen bei der Stadt A am xx.xx.xxxx Widerspruch erhoben.

In Ihrem Widerspruch tragen Sie vor, die Stadt A habe bei Ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass... Des Weiteren....“

Rechtliche Begründung

II.

Rechtliche Begründung der Hauptsache:

„Gem. § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. X VwGO (i.V.m. § Y) bin ich für die Entscheidung über den von Ihnen erhobenen Widerspruch zuständig. Ihr Widerspruch ist zulässig und /aber nicht begründet.
...“

Rechtliche Begründung von Nebenentscheidungen:

Begründung der Anordnung des sofortigen Vollzuges:

„Die Anordnung der sofortigen Vollziehung findet ihre Grundlage in § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liegt ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer X des Bescheides vom x.x.xxxx vor. Der bauliche Zustand des Wohngebäudes an der Y-Straße Z stellt eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben der in den angrenzenden Wohngebäude lebenden Personen dar, die nicht hingenommen werden kann. Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung muss daher ihr Interesse am Erhalt des Gebäudes ausnahmsweise hinter dem höherangigen Interesse am Schutze Leib und Leben zurücktreten.

Begründung der Androhung von Zwangsmaßnahmen:

„Die Androhung des Zwangsgeldes findet seine Grundlage in § 11 VwVG. Die geforderte Handlung kann nur von Ihnen vorgenommen werden, sodass die Androhung eines Zwangsgeldes geboten ist.“

Begründung der Kostenentscheidung durch die Angabe der jeweils einschlägigen Rechtsvorschrift:

„Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 3 S. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG.

(Die Zuziehung eines Bevollmächtigten war nach § 80 Abs. 3 VwVfG für notwendig zu erklären. Das Widerspruchsverfahren hat schwierige Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, sodass vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Widerspruchsführers mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand ausgehend, die Zuziehung einer rechtskundigen Person für erforderlich gehalten werden konnte.)“

Rechtsmittelbelehrung §§ 73 Abs. 3 S. 1, 58 Abs. 1, 74, 52 VwGO:

„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht X (Stadtname) zu erheben.“

Mit freundlichen Grüßen

i.A.

Unterschrift

(ggf. + Entwurf einer Begleitverfügung)

Vfg. (Kurzform „Verfügung“)

1. Vermerk

„...“

2. Per PZU/ gegen EB Widerspruchsbescheid an Widerspruchsführer

3. Schreiben an Ausgangsbehörde gegen EB

„U.m.A. (Unterschriftlich mit Akten)

Landrat des Kreises X
Adresse

Stadt, Datum

Bescheid vom Oberbürgermeister; Az. 123/20

Widerspruch des Herrn Mustermann vom xx.xx.xxxx

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides sende ich die mir zugesandten Verwaltungsvorgänge zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Widerspruchsführer per PZU am xx.xx.xxxx zugestellt.

Für den Fall, dass der Widerspruchsführer Klage erhebt, bitte ich, mich nach Abschluss des Klageverfahrens über dessen Ausgang zu informieren.“

Ggf. Hinweise auf Probleme im Rahmen des Widerspruchsverfahrens:

„Es wird angeregt, zukünftig Bescheide nach den Vorschriften des VwZG zuzustellen. Der Bescheid der Stadt A vom xx.xx.xxxx wurde mit einfachem Brief versandt. Damit galt der Bescheid nach § 41 Abs. 2 VwVfG mit Ablauf des xx.xx.xxxx als bekanntgegeben. Der Widerspruchsführer gab jedoch an, den Bescheid erst am x.x.xxxx erhalten zu haben. Seine Einlassung wurde durch Vorlage des Briefumschlages, der einen Poststempel vom xx.xx.xxxx enthält, erhärtet. Da ein früherer Zugang nicht nachweisbar war, musste ich von einer rechtzeitigen Einlegung des Widerspruchs ausgehen, obwohl die nach § 41 Abs. 2 VwVfG bis zum xx.xx.xxxx laufende Monatsfrist überschritten war.“

i.A.

Unterschrift

Anlage: ....