C. Einzelne Beweismittel

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

I. Zeugen

Bei Zeugen ist zunächst insbesondere sprachlich zwischen „glaubhaft“ und „glaubwürdig“ zu unterscheiden:

„Glaubhaft“ kann die Zeugenaussage sein.

„Glaubwürdig“ nur der Zeuge selbst.

Für die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage sprechen insbesondere folgende Faktoren:

  • Wahrnehmungsmöglichkeit

  • Wahrnehmungsfähigkeit

  • Wahrnehmungsbereitschaft ↔ beiläufiges/ unerwartetes Geschehen?

  • Plausibilität der Schilderungen + Lebensnähe

  • Detailwissen bzw. plausible freimütig eingeräumte Erinnerungslücken

„Die Aussage des Zeugen X ist auch glaubhaft. Die Schilderungen des Zeugen

  • sind schlüssig und lebensnah

  • beinhalten originelle Details, die für in wahres Erleben sprechen.

  • stehen im Einklang mit ... (der Aussage des Y)“

„Die Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass...“

„Auch die freimütig eingeräumten Erinnerungslücken sind aufgrund ... (des zeitlich weit zurückliegenden Geschehens) plausibel und sprechen dafür, dass der Zeuge bemüht war, die Wahrheit auszusagen.“

Die Glaubwürdigkeit eines Zeugen lässt sich am besten live oder anhand äußerer Umstände beurteilen.

Da Ihr in einer Klausur keine Informationen dazu erhaltet, ob der Zeuge z.B. nervös gewirkt, den Blick immer wieder zum Kläger/ Beklagten gesucht oder sonstige Auffälligkeiten gezeigt hat, die für oder gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen, werdet ihr im Rahmen einer Klausur die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in der Regel nicht feststellen können. Einzig offensichtliche äußere Umstände, wie ein besonderes Näheverhältnis (Sympathiepersonen) oder ein vorhandenes Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits könnten Hinweise auf die fehlende Glaubwürdigkeit eines Zeugen liefern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein bloßes Sympathieverhältnis kein Grund ist, an der Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu zweifeln. Erst das Hinzutreten weiterer Umstände (wie das Vorhandensein eines Eigeninteresses am Ausgang des Rechtsstreits) kann die Annahme von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zeugen rechtfertigen. Neutrale Zeugen ohne erkennbares Eigeninteresse oder Verwandtschaftsverhältnis sind in Klausuren grundsätzlich als glaubwürdig einzustufen.

„Der Zeuge ist auch glaubwürdig. Insbesondere steht seiner Glaubwürdigkeit kein etwaiges Sympathieverhältnis entgegen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit können nicht allein aufgrund ... (des Verlöbnisses zwischen dem Zeugen und der Angeklagten/ Klägerin) begründet werden. Erst bei Hinzutreten weiterer Umstände, wie ein erkennbares Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits, können Zweifel an der Glaubwürdigkeit begründen. Das ... (Verlöbnis) alleine, reicht hingegen nicht.“

II. Sachverständigengutachten

Prämisse der Würdigung eines Sachverständigengutachtens ist es, dass das Gutachten richtig, überzeugend und erschöpfend ist. Daher müsst Ihr euch vor der Würdigung des Gutachtens zunächst folgende Fragen stellen:

  • ist der Sachverständige zur Beurteilung des Sachverhalts hinreichend qualifiziert?

  • ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen?

  • ist das Gutachten selbst schlüssig und nachvollziehbar?

  • hat sich der Sachverständige mit der Fachliteratur auseinandergesetzt?

  • beruht das Gutachten auf den neusten Erkenntnisses und Methoden zur Untersuchung/ Messung?

Sofern ihr zu dem Ergebnis kommt, dass das Gutachten aufgrund von diversen Mängeln unergiebig ist, wird ausnahmsweise trotzdem eine Beweiswürdigung vorgenommen.

Darstellung des Inhalts des Gutachtens:

„Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass.../ zu folgenden Feststellungen gekommen....“

Folgt das Gericht dem Sachverständigen und warum (nicht)?:

„Das Gericht folgt den überzeugenden Angaben des Sachverständigen. Als ... (z.B. KfZ-Meister) ist der Sachverständige für die Begutachtung der Reparatur des Dieselpartikelfilters beim streitgegenständlichen Fahrzeug besonders qualifiziert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige ist insbesondere auch von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus folgenden Ergebnisse logisch und widerspruchsfrei dargestellt.“

Sofern von einer Partei/ Seite Kritik am Gutachten geübt wird:

„Eine inhaltliche Überprüfung ist weder Aufgabe der Kammer, noch ist es dieser mangels eigener Sachkunde möglich, weshalb sich die Kammer zur Beurteilung des Sachverhalts eines Sachverständigen bedient hat.“

„...(Auch war) die Einholung eines weiteren Gutachtens (war) nicht erforderlich. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Gericht das bisherige Gutachten für ungenügend erachtet (vgl. § 412 ZPO). Dies ist vorliegend nicht der Fall.“

III. Urkunden

Die formelle Beweiskraft von Urkunden erstreckt sich auf die Urheberschaft und folgt im Zivilrecht aus §§ 415 – 419 ZPO. Voraussetzung für den Beweiswert ist, dass die Urkunde unversehrt (§ 416 ZPO) und echt ist. Dann bietet die Urkunde im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO auch Indizwirkung für ihren Inhalt.

Der Inhalt von Urkunden ist nach den allgemeinen Regeln §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Problem: Bestrittene Echtheit
Sofern die Echtheit einer Urkunde bestritten wird, muss die jeweils beweisbelastete Partei die Echtheit und den Inhalt beweisen.
Problem: Blankettmissbrauch
Sofern eine Blankounterschrift geleistet wurde und behauptet wird, das Blankett sei abredewidrig verwendet worden, hat der Unterschreibende die abredewidrige Verwendung zu beweisen.

„Die in der Beweisaufnahme verlesene Urkunde hat hinsichtlich ... (des Bestehens eines Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug) vollen Beweis zugunsten des Klägers/ Beklagten erbracht. Die Urkunde entfaltet nach § 416 ZPO formelle Beweiskraft, da sie unversehrt, vollständig und ihre Echtheit nicht bestritten ist. Ihr Inhalt ist (auch positiv) ergiebig. In der Urkunde steht ... / wurde festgehalten, dass ...
Unter Berücksichtigung der Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB und unter Würdigung der jeweiligen Interessen der Parteien, sind die Ausführungen in der Urkunde nur so zu verstehen, dass ...
Aufgrund der dem Gericht nach § 286 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung kommt der Urkunde auch materielle Beweiskraft zu. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Beteiligten das, was in der Urkunde niedergeschrieben worden ist, tatsächlich auch so vereinbart haben.
Die Aussage des Zeugen X, er habe gehört/ gesehen ... führt nicht dazu, dass der Glaube an die Echtheit und inhaltliche Richtigkeit der Urkunde, nach der ... (ein Vertrag) vereinbart wurde, erschüttert worden ist.
Denn der Sinn und Zweck schriftlicher Vereinbarungen besteht gerade darin, in Streitfällen durch die Urkunde einen Nachweis über die getroffenen Vereinbarungen erbringen zu können.
Das bedeutet nicht, dass der Beweis des Gegenteils oder ergänzender Vereinbarungen nicht möglich wäre. Allerdings sind an die Beweisführung hinsichtlich der Unrichtigkeit/ Unvollständigkeit entgegen der gesetzlichen Vermutung deutlich höhere Anforderungen zu stellen, als der Beklagte/ Kläger sie hier erfüllt hat.
Wenn mit einer schlichten Zeugenaussage, die Vollständigkeitsvermutung einer ausgeräumt werden könnte, bestünde die Vermutung faktisch nicht.
In derartigen Fällen ist es daher zum Beweis des Gegenteils erforderlich, dass der jeweilige Zeuge glaubhafte Umstände vorträgt, die die Unvollständigkeit der Urkunde plausibel erscheinen lassen. Solche Umstände hat der Zeuge X aber nicht glaubhaft vorgetragen. Insbesondere ist seine Aussage, dass die weitere Abrede nur deswegen nicht schriftlich fixiert wurde, weil ... nicht nachvollziehbar.
Vielmehr entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ... weshalb es auch wahrscheinlicher ist, dass die Parteien bei tatsächlich gewollter Änderung die Urkunde im Nachhinein abgeändert/ ergänzt hätten.
Da dies nicht geschehen ist und auch kein nachvollziehbarer Grund vorgetragen wurde, warum dies nicht geschehen ist, gebührt der Vollständigkeitsvermutung der Urkunde der Vorrang vor der Aussage des Zeugen X.“