Wie soll mit einer abhanden gekommenen empfangsbedürftigen Willenserklärung verfahren werden, wenn der Empfänger gutgläubig gewesen ist?
Überblick
Die Frage ist, wie mit einer Willenserklärung zu verfahren ist, die vom Erklärenden nicht abgegeben worden ist, aber dennoch seinen Bereich verlässt. Dies geschieht meist versehentlich, also ohne Wissen und Wollen des Erklärenden. Muss er sich die Willenserklärung gegenüber einem gutgläubigen Empfänger zurechnen lassen?
Die Meinungen und ihre Argumente
1. Ansicht - Gleichstellung mit Fehlen von Erklärungsbewusstsein1
Nach dieser Ansicht ist der Fall eines gutgläubigen Empfängers gleichzustellen mit dem Fehlen des Erklärungsbewusstseins.
Argumente für diese Ansicht
Objektive Betrachtung
Die Willenserklärung ist dann wirksam abgegeben, wenn der Erklärende hätte erkennen und auch verhindern können, dass die Erklärung in den Verkehr gelangt. Dies gilt auch dann, wenn die Willenserklärung versehentlich in den Verkehr gelangte.
Vertretenmüssen
Wenn die Willenserklärung versehentlich in den Verkehr gelangte und der Erklärende dieses bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte verhindern können, gilt sie als abgegeben. Es obliegt dem Erklärenden, die Sorgfalt in Bezug auf die Willenserklärung an den Tag zu legen. Er hat dies dann auch zu vertreten.
Erklärungsbewusstsein fehlte
Gelangt die Willenserklärung in den Verkehr, ohne dass der Erklärende dies wollte, gleicht dies dem Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins. Denn der Erklärende wollte die Erklärung nicht abgeben, es mangelt ihm also an Bewusstsein, die Erklärung auch tatsächlich an den Empfänger zu leiten.
Schutz des Erklärenden
Trotz Zurechnung ist der Erklärende geschützt. Er kann die Willenserklärung anfechten, haftet jedoch gemäß § 122 BGB oder aus culpa in contrahendo auf den Ersatz des Vertrauensschadens.
2. Ansicht - Keine Wirksamkeit2
Nach dieser Ansicht ist eine abhandengekommene Willenserklärung nicht wirksam.
Argumente für diese Ansicht
Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenserklärung
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung hat als Wirksamkeitsvoraussetzung, dass sie von dem Erklärenden mit dessen Willen und Wissen auf den Weg gebracht wird und ohne weiteres Zutun den Empfänger erreicht. Dementsprechend kann eine abhandengekommene und versehentlich zum Empfänger gelangte Willenserklärung nicht wirksam sein. Es fehlt am Wissen und Wollen.
Wertung des BGB
In § 172 I BGB bewertet der Gesetzgeber eine solche Konstellation: Der Aussteller einer Urkunde muss sich den Inhalt dieser nur zurechnen lassen, wenn er sie einem anderen ausgehändigt hat. Ist die Urkunde ohne den Willen des Ausstellers in den Verkehr gelangt, ist sie ihm nicht zuzurechnen. Genauso muss auch im Fall der abhandengekommenen Willenserklärung verfahren werden. Der Erklärende kann nicht an das vermeintlich Erklärte gebunden werden.
Nicht vergleichbar mit dem Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins
Der Fall der abhandengekommenen Willenserklärung ist nicht vergleichbar mit dem des fehlenden Erklärungsbewusstseins. In diesem handelt der Erklärende nämlich bewusst. Ihm wird sein eigenes Handeln zugerechnet. Beim Abhandenkommen besteht gerade kein aktives Handeln, er hat keine Äußerung im Rechtsverkehr getätigt.
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