Kann ein nichtiges Rechtsgeschäft angefochten werden?

Überblick

Fraglich ist, ob ein nichtiges Rechtsgeschäft, welches deshalb schon keine Rechtswirkungen entfaltet, zusätzlich angefochten werden kann. Die Anfechtung würde ebenfalls zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen.


1. Ansicht - Anfechtung ist ausgeschlossen1

Nach dieser Ansicht ist die Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts nicht möglich.

Argumente für diese Ansicht

Wirksames Rechtsgeschäft erforderlich

Für die Anfechtung ist ein wirksames Rechtsgeschäft erforderlich. Ist ein Rechtsgeschäft bereits nichtig, so kann es nicht durch Anfechtung ein zweites Mal vernichtet werden.

Grad der Fehlerhaftigkeit

Der Grad der Fehlerhaftigkeit, der zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, wiegt schwerer als der Grad der Fehlerhaftigkeit, der zur Anfechtung führt.

2. Ansicht - Anfechtung ist möglich2

Nach dieser Ansicht ist auch die Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts möglich (u.a. in Anlehnung an die Kippsche Lehre von der Doppelwirkung im Recht, aber ebenfalls strittig).

Argumente für diese Ansicht

Prozessökonomie

Im Prozess kann es sein, dass der Nichtigkeitsgrund eines Rechtsgeschäfts schwieriger zu beweisen ist als das Vorliegen der Voraussetzungen der Anfechtung. Schon aus diesem Grund sollte eine Anfechtbarkeit gegeben sein. Die beweisbelastete Partei könnte dann selbst entscheiden, inwieweit sie Beweis erbringen kann.

Kumulation

Wenn einem Sachverhalt mehrere Tatbestände zuzuordnen sind, handelt es sich um eine Kumulation. Das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes schließt nicht aus, dass parallel auch andere Gründe bestehen, die zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen können. Insofern ist auch die Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts möglich.

Nichtigkeit bedeutet nicht Nichtexistenz

Auch wenn eine Willenserklärung nichtig ist, heißt das nicht, dass sie als nicht abgegeben oder nicht existent bewertet werden kann. Sie ist lediglich ihrer Wirkung beraubt.

  • 1. Oellers, AcP 169 (1969), 67 ff.
  • 2. BGH vom 11.7.1996 IX ZR 226/94, MDR 1997, 52; MüKoBGB/Busche, 9. Auflage 2021, § 142 Rn. 12; Staudinger/Roth, BGB, § 142 Rn. 27 ff. (April 2022).

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