Ist das tatbestandsausschließende Einverständnis im Rahmen des § 266 StGB bei der GmbH eingeschränkt?

Überblick

Soweit der Vermögensinhaber mit der Tathandlung einverstanden ist, kann sich der Pflichtige schon nicht mehr nach § 266 StGB strafbar machen. Es handelt sich um ein den Tatbestand ausschließendes Einverständnis des Vermögensinhabers. Inhaberin des Vermögens ist bei der GmbH zwar grundsätzlich aufgrund ihrer Rechtspersönlichkeit die GmbH selbst, doch kann auch die Gesellschafterversammlung als Willensbildungsorgan der GmbH als Vermögensinhaberin angesehen werden. Ist die Gesellschafterversammlung mit der Handlung des Geschäftsführers einverstanden, macht sich dieser wohl nicht wegen Untreue aus § 266 StGB strafbar.
Umstritten ist nun, ob der Umfang des Einverständnisses beschränkt werden soll, damit die Gesellschafter nicht vollumfänglich über das Schicksal der GmbH entscheiden können. Es steht daher in Rede, ob gewisse Bereiche der Disposition der Gesellschafter entzogen werden müssen, um die Gesellschaft hinreichend zu schützen.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Das Einverständnis der Gesellschafterversammlung muss beschränkt werden.1

Es kann kein Einverständnis bezüglich Verfügungen ergehen, die das Stammkapital der Gesellschaft angreifen (§ 30 GmbHG), oder welche die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft (z.B. durch Herbeiführen oder Vertiefen einer Insolvenz) konkret gefährden.

Argumente für diese Ansicht

Würde man den Umfang des Einverständnisses nicht einschränken, könnte zwingenden Vorschriften des GmbHG zuwider gehandelt werden.2

Die GmbH ist mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und daher selbst Trägerin des Vermögens (§ 13 I GmbHG).3

Die Gesellschafter sollen über das Vermögen nicht vollumfänglich verfügen können, zumindest nicht derart, dass die Gesellschaft in ihrem Bestand gefährdet ist.

2. Ansicht - Der Umfang des Einverständnisses der Gesellschafterversammlung ist nicht einzuschränken.4

Argumente für diese Ansicht

Der Untreuetatbestand könnte ansonsten in ein Gläubigerschutzdelikt umgedeutet werden.

Schutzgut des § 266 StGB ist ausschließlich das Vermögen bzw. die Verwirklichung der Gesellschafterinteressen und nicht das Interesse der Gläubiger. Würde man das Einverständnis der Gesellschafterversammlung auf Handlungen beschränken, die das Stammkapital der Gesellschaft nicht angreifen, dann schützt man damit allein die Gläubiger.5

Wirtschaftliche Inhaber des Vermögens sind die Gesellschafter

Wirtschaftliche Inhaber des Vermögens sind die Gesellschafter – sie können daher frei und bis hin zur Liquidität der Gesellschaft über das Vermögen disponieren.6 Das Argument der Gegenauffassung, eine Beschränkung müsse sich schon aus der Rechtspersönlichkeit der GmbH ergeben, greift gerade nicht durch.


Argumente gegen diese Ansicht

Der Gläubigerschutz ist nur eine mittelbare Folge, die sich aus der Anerkennung des besonderen Status der GmbH ergibt.7

  • 1. BGHSt 49, 147 (154 ff.); BGH NJW 2007, 2689.
  • 2. Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/Saliger, Wirtschaftsstrafrecht, § 266 Rn. 108.
  • 3. Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/Saliger, Wirtschaftsstrafrecht, § 266 Rn. 107.
  • 4. Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Auflage 2019, § 266 Rn. 21b.
  • 5. AK/Esser, StGB, 3. Auflage 2020, § 266 Rn. 443; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Auflage 2019, § 266 Rn. 21b.
  • 6. Ähnlich auch: Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Auflage 2019, § 266 Rn. 21b.
  • 7. Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/Saliger, Wirtschaftsstrafrecht, § 266 Rn. 108.

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