Genügt für die „Beibringung“ iSd. § 224 I Nr. 1 StGB, dass der Stoff äußerlich angewendet wird?
Überblick
Beibringen im Sinne des § 224 I Nr. 1 StGB meint, den Stoff so mit dem Körper in Verbindung zu bringen, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann.1 In diesem Zusammenhang besteht jedoch Uneinigkeit darüber, ob es dafür genügt, dass der entsprechende Stoff äußerlich aufgetragen wird, oder ob es erforderlich ist, dass der Stoff im Körperinneren seine schädliche Wirkung entfaltet.2
Die Auffassungen und ihre Argumente
1. Ansicht - Es ist unerheblich, ob der Stoff äußerlich oder innerlich seine Wirkung entfaltet.3
Argumente für diese Ansicht
Wortlaut setzt keine Beschränkung auf die innere Wirkung voraus 4
Zufallsargument
Würde man danach differenzieren, ob der Stoff äußerlich oder innerlich wirkt, würde man die Strafbarkeit nach § 224 I Nr. 1 StGB von einer Zufälligkeit abhängig machen, z.B. ob der Stoff über Körperöffnungen doch noch ins Innerer des Körpers gelangt.5
Abgrenzungsschwierigkeiten
Darüber hinaus kann es sich im Einzelfall schwierig gestalten, zwischen innerer und äußerer Wirkung zu unterscheiden.6 Dies gilt vor allem für Fälle von Verätzung, Verbrühungen oder bei Stoffen, die von außen nach innen wirken.7
Funktionale Gleichwertigkeit zwischen innerer und äußerer Einwirkung
Es macht funktional keinen Unterschied, ob der Stoff innerlich oder äußerlich beigebracht bzw. aufgetragen wird. Sowohl die innere als auch die äußere Wirkung kann gefährlich sein.8
Für eine tatbestandliche Abgrenzung zum „gefährlichen Werkzeug“ der Nr. 2 besteht kein Grund 9
2. Ansicht - Es ist für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der „Beibringung“ erforderlich, dass der Stoff in das Körperinnere gelangt und dort seine schädliche Wirkung entfaltet.10
Argumente für diese Ansicht
Wortlaut erfordert die Einbeziehung der äußeren Wirkung des Stoffes nicht 11
Ansonsten käme es zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit dem Tatbestandsmerkmal des gefährlichen Werkzeuges.12
Hohes Strafmaß
Für eine restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals spricht bereits der drohende hohe Strafrahmen.13
Wortsinn des Giftes und dessen Beibringung erfordert eine Beibringung ins Körperinnere
Die Üblichkeit der Wortverwendung erfordert, dass man Gift nur durch Körperöffnungen beibringen kann. Durch die Gleichstellung von „Gift“ und „andere Stoffe“ muss dies dann auch generell für alle Stoffe iSd. § 224 I Nr. 1 StGB gelten.14
- 1. MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Momsen/Momsen-Pflanz, § 224, Rn. 12, Aufl. 2.
- 2. Rengier, BT II, § 14, Rn. 19, Aufl. 13.
- 3. Lackner/Kühl, StGB, § 224, Rn. 1b, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 14, Rn. 20, Aufl. 13.; Fischer, StGB, § 224, Rn. 6, Aufl. 62.; BGHSt 15, 114.; MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.
- 4. Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben, StGB, § 224, Rn. 2d, Aufl. 29.; MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.
- 5. Rengier, BT II, § 14, Rn. 20, Aufl. 13.
- 6. MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.; Rengier, BT II, § 14, Rn. 20, Aufl. 13.
- 7. Fischer, StGB, § 224, Rn. 6, Aufl. 62.
- 8. Hier zustimmend auch: NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.; MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.
- 9. MüKo/Hartung, § 224, Rn. 10, Aufl. 2.
- 10. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 6, Rn. 53, Aufl. 3.; NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.
- 11. NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.
- 12. NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.
- 13. NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.
- 14. NK/Paeffgen, § 224, Rn. 10, Aufl. 3.
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