Die Strafstation oder Oh mein Gott, was mache ich eigentlich hier?

von Luisa Rödemer · Aktuelles und Gemischtes

Da ist er plötzlich, der erste Tag vom Referendariat. Man fühlt sich wieder ein kleines bisschen wie am ersten Schultag oder eben als frischer Ersti. Man ist ganz plötzlich wieder einer von den „Kleinen“, den „Anfängern“. Und während man eigentlich noch damit beschäftigt ist, sich in dieser neuen/ alten Situation zurecht zu finden, sitzt man schon bei seinem Strafrechtsausbilder. „Jetzt erstmal bei ein paar Sitzungen zusehen und ein paar Anklagen schreiben“ dachte ich, als wir erfuhren, dass wir schon ab der 2. Woche die Sitzungsvertretung alleine übernehmen sollten. Und als hätte ich nicht sowieso schon die Hosen voll gehabt – ich meine: Da sitzt dann ein echter Angeklagter mit einem echten Verteidiger vor einem echten Richter. Und ... ich – entpuppte sich meine erste Sitzungsvertretung auch noch als .... sagen wir es so: Außergewöhnlich. Während um mich herum alle kleine Diebstähle oder Hausfriedensbrüche zu verhandeln hatten, stand auf der ersten Seite meiner Akte nichts weniger als: MORDERMITTLUNG. Äh ja.
 
Beim näheren Durchsehen der Akten hatte sich das ganze wenigstens ein bisschen relativiert, es ging schlussendlich um eine gefährliche Körperverletzung. Was die Akten allerdings auch zeigten: Es ging offensichtlich um zwei verfeindete Familien, von denen jeweils die Hälfte der Familie als Zeugen geladen waren. Außerdem sollten auf beiden Seiten Dolmetscher auftreten. Zudem hatte der Verletzte einen Antrag auf Zulassung als Nebenkläger gestellt, inklusive eigenem rechtlichen Beistand. Alles in allem war für meine erste Sitzung ein Full House zu erwarten. Und so kam es auch. Der Sitzungssaal gerammelt voll, ein schimpfender Angeklagter, eine weinende Frau mit schreiendem Baby im Zuschauerraum und der Verletzte, der die gesamte Vernehmung seinen Dolmetscher beschuldigte, dass dieser nicht richtig übersetzen würde. Ich fühlte mich abwechselnd wie bei Suits und der versteckten Kamera und versuchte, die ganze Situation so cool zu nehmen, wie es eben ging. Als ich es dann bis in die Mittagspause geschafft hatte, fühlte ich mich eigentlich schon unbesiegbar und informierte stolz meine Ausbilderin.
 
Doch das sollte noch nicht das Ende gewesen sein: Als wir nach der Pause wieder im Sitzungssaal eintrudelten, hörten wir plötzlich lautes Geschrei auf dem Gang. Polizisten stürmten an uns vorbei, zückten ihre Waffen und schrien unseren Angeklagten an, sich nicht zu bewegen, da sie sonst von ihren Schusswaffen Gebrauch machen würden. Es stellte sich heraus, dass der Bruder des Angeklagten diesem in der Mittagspause einen Schlagstock ins Gericht gebracht hatte, um dem Verletzten „ein bisschen Angst zu machen“. Wer also denkt, sowas wie bei Polizeiruf 110 oder CSI New York passiere nie: there you go! Nachdem der Angeklagte den Schlagstock übergeben und sich alle etwas beruhigt hatten, vertagten wir die Sitzung. Die besten Worte des Tages kamen allerdings von meiner Ausbilderin. „Sehen Sie es positiv“ sagte sie, „schlimmer kann’s jetzt eigentlich nicht mehr werden!“
 
Tatsächlich war der Rest meiner Strafstation eher Karussellfahren, im Vergleich zu meiner ersten Sitzung. Im Nachhinein betrachtet, war diese Station allerdings die spannendste, abwechslungsreichste und, dank meiner tollen Ausbilderin, auch die lehrreichste Station im gesamten Referendariat. Ob ich allerdings häufiger so einen Nervenkitzel bräuchte? Ich glaube nicht!

Autorin: Luisa Rödemer

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