Führt die Bezahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten zur Strafbarkeit wegen Vollstreckungsvereitelung nach § 258 II StGB?

Überblick

Die Vollstreckungsvereitelung nach § 258 II StGB soll dasjenige Verhalten bestrafen, welches die Durchführung rechtskräftig verhängter Strafen oder Maßnahmen verhindert. In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob sich ein Dritter, der für den Verurteilten die verhängte Geldstrafe zahlt, wegen Vollstreckungsvereitelung nach § 258 II StGB strafbar macht.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Eine Strafbarkeit des Dritten besteht unter gewissen Voraussetzungen möglich1

Argumente für diese Ansicht

Bei der Geldstrafe, wie auch bei der Freiheitsstrafe, handelt es sich um eine höchstpersönliche Schuld des Verurteilten

Diese höchstpersönliche Schuld kann nicht dadurch getilgt werden, dass ein Dritter den Geldbetrag bei der Gerichtskasse einzahlt. Der Staat muss eine solche Zahlung zurückweisen. Erreicht der Dritte mittels Identitätstäuschung, dass die Vollstreckungsbehörde von der rechtlich geforderten Beitreibung der gegen einen anderen verhängten Geldstrafe absieht, begeht der Dritte eine Vollstreckungsvereitelung.2

Einschränkung der Wortsinngrenze des Merkmals „Vollstreckung“3

Wenn man den vorliegenden Fall aus der Strafbarkeit nach § 258 II StGB ausklammern würde, würde man den Begriff der „Vollstreckung“ unsachgemäß einschränken. Dann wäre unter der Vollstreckung (wie auch die Gegenansicht fordert) nur der äußere Vollstreckungsvorgang zu verstehen. Das bedeutet, es wäre nur die Verhinderung der generellen Betreibung der Geldstrafe als Vollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinne erfasst.

2. Ansicht - Die Bezahlung der Geldstrafe durch einen Dritten begründet keine Strafbarkeit nach § 258 II StGB4

Argumente für diese Ansicht

Der Wortlaut „Vollstreckung“ spricht gegen eine Bestrafung des zahlenden Dritten.

Unter der Vollstreckungsvereitelung ist nur die Störung der äußeren Abläufe zu verstehen. Der Täter muss also bewirken, dass eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil mindestens für geraume Zeit nicht verwirklicht werden kann. 5

Unvereinbarkeit mit Art. 103 II GG

Die Auslegung jenseits der Grenze des Wortsinns führt zu einer Analogie, die zulasten des Beschuldigten wegen Art. 103 II GG unzulässig ist. Das Gesetzlichkeitsprinzip verlangt Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Strafdrohung. Nichts im Wortlaut des § 258 II StGB deutet jedoch an, dass derjenige die Vollstreckung vereitelt, der, ohne in den äußeren Vollstreckungsvorgang einzugreifen, dafür sorgt, dass die Strafe bezahlt wird.6

Vereitelung des Strafzwecks 7

Die Verhinderung der Vollstreckungswirkung oder des Strafzwecks sind begrifflich schon keine Vollstreckungsvereitelungen. Durch die Zahlung wird nicht die Vollstreckung vereitelt, sondern vielmehr der Strafzweck.

Umgehungsmöglichkeiten, sodass Strafbarkeit von Zufall abhängt

Beispielsweise ist die Darlehensgewährung sowie die nachträgliche Schenkung des entsprechenden Betrages auch nach der Gegenansicht straflos.8

  • 1. Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 29; LK-StGB/Walter, 13. Auflage 2023, § 258 Rn. 51.
  • 2. Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 29.
  • 3. Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 29.
  • 4. BGHSt 37, 226.
  • 5. BGHSt 37, 226 (230).
  • 6. BGHSt 37, 226 (230).
  • 7. Engels, Jura 1981, 581 ff.
  • 8. LK-StGB/Walter, 13. Auflage 2023, § 258 Rn. 50.

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