Ist bei der Anfechtung von belastenden Nebenbestimmungen des Verwaltungsaktes die isolierte Anfechtungsklage oder die Verpflichtungsklage auf Neuerlass der Genehmigung ohne belastende Nebenbestimmung zu erheben?

Überblick

Eine gern genommene Konstellation für Klausuren: Die Anfechtung von belastenden Nebenbestimmung eines Verwaltungsaktes. Streit besteht hinsichtlich der Frage, ob hier die isolierte Anfechtungsklage oder aber die Verpflichtungsklage zu erheben ist.

Die Meinungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Verpflichtungsklage ist zu erheben1

Nach dieser Ansicht ist immer eine Verpflichtungsklage auf Neuerlass des Verwaltungsaktes ohne die belastende Nebenbestimmung zu erheben.

Argumente für diese Ansicht

Ziel ist ein anderer Verwaltungsakt

Dem Betroffenen geht es bei der Anfechtung der Nebenbestimmung um den Erlass eines neuen Verwaltungsaktes mit anderem Inhalt. Er will den Erlass eines Verwaltungsaktes ohne Nebenbestimmung.

2. Ansicht - Isolierte Anfechtungsklage ist zu erheben2

Nach dieser Ansicht ist immer eine isolierte Anfechtungsklage gegen die belastende Nebenbestimmung zu erheben.

Argumente für diese Ansicht

Nebenbestimmungen enthalten selbstständige Regelungen

Die Nebenstimmungen eines Verwaltungsaktes, insbesondere wenn es sich um Auflagen handelt, enthalten selbstständige Regelungen und müssen deshalb auch selbstständig anfechtbar sein.

Gesetz

§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO sieht eine Teilaufhebung vor, daher kann die statthafte Klageart nur die isolierte Anfechtungsklage sein. Sonst würde die gesetzliche Regelung ins Leere laufen.

3. Ansicht - Unterscheidung nach Art der Nebenbestimmung3

Nach dieser Auffassung ist zwischen den Arten der unselbstständigen und der selbstständigen Nebenbestimmungen zu unterscheiden und danach die Klageart zu wählen.

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut des VwVfG

Handelt es sich um eine unselbstständige Nebenbestimmung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 1-3 VwVfG muss eine Verpflichtungsklage erhoben werden. Denn diese können nur zusammen mit dem Verwaltungsakt angegriffen werden, da die Nebenbestimmung und Verwaltungsakt in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.
Handelt es sich um eine selbstständige Nebenbestimmung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4-5 VwVfG kann eine isolierte Anfechtungsklage erhoben werden, da die Nebenbestimmung nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt steht.

4. Ansicht - Unterscheidung bei der Teilbarkeit4

Nach dieser Ansicht kommt es entscheidend auf die Teilbarkeit der Nebenbestimmung vom Verwaltungsakt an.

Argumente für diese Ansicht

Klageziel

Das Klageziel ist eine Teilaufhebung des Verwaltungsaktes. Kann die Nebenbestimmung vom Verwaltungsakt im logischen Sinne getrennt werden, kommt grundsätzlich eine isolierte Anfechtungsklage in Betracht.
Ist die Nebenbestimmung offenkundig nicht vom Verwaltungsakt zu trennen, weil sodann weder die Nebenbestimmung, noch der Verwaltungsakt getrennt betrachtet einen Sinn ergeben, ist eine Verpflichtungsklage zu erheben.

Wortlaut

Der § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO sieht eine Teilaufhebung ganz klar vor. Insofern muss diese auch hinsichtlich einer Nebenbestimmung möglich sein.

  • 1. BVerwGE 29, 261 (265).
  • 2. Labrenz, NVwZ 2007, 161; Hufen, JuS 2001, 927.
  • 3. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2012, 699.
  • 4. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2015, § 10, Rn. 643 ff.

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