Wie läuft das Rechtsreferendariat ab und wie fühlt es sich an, Referendar zu sein? | Lawentus Ref-Guide | Teil II

(Foto: Photo by Meduana on Unsplash)

III. Wie läuft das Rechtsreferendariat ab und wie fühlt es sich an, Referendar zu sein?


Viele fragen sich, wie das Rechtsreferendariat abläuft und wie es sich anfühlt, mitten im Leben der Praxis zu stehen. Pauschal lässt sich das nicht für alle 16 Bundesländer beantworten, doch im Regelfall sehen die meisten Bundesländer einheitliche Ausbildungsabschnitte vor.

1. Zivilstation


Die erste Station ist, in Abhängigkeit vom Bundesland, gewöhnlich die vier- bzw. fünfmonatige Zivilstation, die Du in der Arbeitsgemeinschaft und am Zivilgericht (Amts- oder Landgericht) absolvierst (jedoch beginnt u.a. in Hamburg das Rechtsreferendariat mit der Strafstation, dazu weiter unten mehr). Zu Beginn des Referendariats erfolgt meistens eine drei- bis vierwöchige Einführungsphase, in der wesentliche Grundlagen der Zivilprozessordnung und der richterlichen Arbeitstechnik vermittelt werden. Summa summarum: Du lernst, Urteile zu schreiben, bzw. auch den richterlichen Arbeitsstil der Relationstechnik kennen. Nach der Einführungsphase hast Du in einigen Bundesländern weiterhin regelmäßig Arbeitsgemeinschaften in Deiner Gruppe, bist jedoch auch einem Einzelausbilder, in der Regel einem Zivilrichter am Amts- oder Landgericht, zugewiesen. In der praktischen Zeit verfeinerst Du Deine erlernten Fähigkeiten zum Anfertigen von Urteilen oder Beschlüssen.
Es ist nicht unüblich, dass Du sogar im Beisein Deiner Ausbilder eigene zivilrechtliche Verhandlungen leiten darfst. Wenn man Dich fragt, ob Du das willst: Ja, unbedingt! Du wirst in sehr kurzer Zeit eigenes Verhandlungsgeschick lernen (müssen). Dies bringt auf jeden Fall einen Mehrwert für Dein weiteres Vorankommen. Juristen haben es gewöhnlich mit Streitigkeiten zu tun. In einer Verhandlung kannst Du Dich daher erproben, individuellen Menschen bzw. Parteien gegenüberzutreten und widerstreitende Interessen von Klägern und Beklagten gegeneinander abzuwägen.

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Neben dieser praktischen Erfahrung verfolgen Dich in den meisten Bundesländern im Rechtsreferendariat relativ zeitnah Klausuren, in der ersten Station von fünf Zeitstunden. Meist sind dies ehemalige Examensklausuren, die Du ebenso unter Examensbedingungen in der Arbeitsgemeinschaft anfertigst. Darüber hinaus sind je nach Bundesland gewöhnlich sogenannte Aktenvorträge zu halten. In diesen Vorträgen referierst Du aus praktischen Akten die entweder auf ehemaligen alten Fällen oder fiktiven Sachverhalten beruhen. Wie in den Klausuren musst Du auch in den Aktenvorträgen praktische Lösungsvorschläge unterbreiten. Für die Lösung eines Falles, die Du in ca. 10 Minuten vorträgst, hast Du in der Regel 60 bis 90 Minuten Vorbereitungszeit. Am Ende gibt es Punkte, welche in das Stationszeugnis eingehen.
Stationszeugnis? Richtig! Am Ende jeder Station gibt es Zwischenbilanzen von Dir. Häufig sogar zwei, nämlich von der Arbeitsgemeinschaft und vom Einzelausbilder. Neben Deiner fachlichen Leistung erhältst Du eine schriftliche Beurteilung über Deine Person, die absolvierten Aufgaben und das gesamte Erscheinungsbild. Die Stationszeugnisse zählen vor allem dann, wenn Du nach Abschluss der zweiten juristischen Prüfung in den Staatsdienst gehen willst. Es ist üblich, dass Deine Personalakte, in der sich auch die Stationszeugnisse befinden, angefordert wird, um zu schauen, wie Dein Gesamteindruck im Rechtsreferendariat war. Falls Du Dich entscheidest, später in eine Kanzlei oder ein Unternehmen wechseln zu wollen, so zeigen Erfahrungen, dass nicht ganz so streng auf die Stationszeugnisse geachtet wird wie im Staatsdienst.

2. Strafstation


Falls Du in Hamburg oder Schleswig-Holstein Dein Rechtsreferendariat beginnst, so startest Du normalerweise mit der Strafstation. Für alle anderen Bundesländer ist diese Station im zweiten bzw. dritten Ausbildungsabschnitt vorgesehen. In der drei- bis viermonatigen Strafstation bist Du, neben der von Klausuren und ggf. Aktenvorträgen geprägten Arbeitsgemeinschaft, in realen Strafprozessen aktiv. Häufig wirst Du je nach Bundesland als sogenannter Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eingesetzt, falls Du nicht einem Strafrichter zur Ausbildung zugewiesen bist. Im Vergleich zur Zivilstation ist dies ein größerer Schritt in Richtung praktische Selbstständigkeit, da Du alleine und ohne Ausbilder Deine Staatsanwaltschaft repräsentierst, die Anklageschrift verliest, am Ende ein Plädoyer hältst und eine Strafe oder Freispruch beantragen musst. Gewöhnlich macht diese Station den meisten Referendaren viel Freude, da Du nah an der Realität bist und auch hier keine Angst haben musst. Du sprichst normalerweise zuvor mit Deinem Ausbilder, welche Strafe Du beantragst (max. 2 Jahre Freiheitsstrafe) oder ggf. auch, ob ein Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens in Betracht kommt.
Doch läuft nicht immer alles nach Plan: Der Angeklagte erscheint nicht, in der Verhandlung stellt sich etwas anders dar, als besprochen oder in der Akte zu erkennen war oder plötzlich bist Du nach der Beweisaufnahme gänzlich vom Gegenteil überzeugt, als Dein Ausbilder es mit Dir durchgegangen ist. Doch auch hier bist Du nicht allein, was auch die Richter wissen. Du darfst nach Unterbrechung der Verhandlung Deinen Ausbilder anrufen, um ggf. das weitere Vorgehen zu besprechen, sofern etwas Unvorhergesehenes auftreten sollte. Die Erfahrung zeigt, dass das Plädieren, nach Ende der Beweisaufnahme, in der Verhandlung das Selbstvertrauen stärkt. Besonders wirst Du das mitbekommen, wenn Du in freier Rede Deinen Antrag begründest und der Richter Dir am Ende 1:1 im Urteil bzw. in den Urteilsgründen folgt. 

3. Verwaltungsstation


Verwaltungsstation gleich staubig und trocken? Von wegen! Die drei- bis viermonatige Verwaltungsstation gibt vielfältige und spannende Einblicke in das öffentliche Recht. Die Verwaltungsstation ist in der Regel die erste Station, in der Du Deine Präferenzen angeben und Deine Ausbildungsstätte frei wählen kannst. Je nach Bundesland kannst Du die Verwaltungsstation bei Behörden und/oder Verwaltungsgerichten ableisten. Wenn Du Interesse am Großen hast, schau auch in Landes- oder Bundesministerien rein. Entsprechend Deines Bundeslandes kannst Du ggf. auch die Station in einem anderen Bundesland bzw. einer bundeslandfremden Behörde absolvieren. In der verwaltungsrechtlichen Station verfestigst Du die verwaltungsrechtliche Arbeitstechnik aus behördlicher bzw. aus gerichtlicher Sicht, wendest diese auf die Praxis an und entwirfst Vermerke, Verfügungen, Bescheide oder Urteile. Ebenso ist es üblich, Referendare zu verschiedenen Sitzungen mitzunehmen oder eigenverantwortlich verwalten zu lassen. Einige Bundesländer erlauben sogar, in der Verwaltungsstation ins Ausland zu gehen. Tatsächlich nutzen auch nicht wenige die Chance, bei Institutionen der Europäischen Union in Brüssel, den Vereinten Nationen in New York oder Genf bzw. bei Botschaften oder Generalkonsulaten der Bundesrepublik Deutschland vorbeizuschauen. Wer noch einmal Lust auf Uni hat, der kann in der Verwaltungsstation ein Studiensemester in Speyer absolvieren.
Ab der dritten Station – der Verwaltungsstation in den meisten Bundesländern – bietet es sich außerdem an, am Klausurenkurs zur Vorbereitung auf die schriftlichen Prüfungen teilzunehmen. Zwar ist es bis zum Examen noch knapp ein Jahr hin, jedoch ist wie im ersten Examen auch im zweiten Examen davon auszugehen, dass sich durch eine gewisse Klausurroutine Flüchtigkeitsfehler verhindern lassen was tendenziell zu besseren Ergebnissen führt. Anders als im ersten Examen kannst Du den Termin zum zweiten Examen nicht schieben, sondern er ist fest von der jeweiligen Prüfungsordnung vorgegeben. Von daher empfehlen wir dringend, das Klausurschreiben regelmäßig zu üben. Die meisten Oberlandesgerichte bieten dazu kostenfreie Klausurenkurse an. Wer mit dem Angebot nicht zufrieden ist oder mehr Klausuren zur Bearbeitung wünscht, der kann auch auf kommerzielle Klausuranbieter zurückgreifen.
 

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